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22. August 2018

Einfluss der Nachgiebigkeit von typisierten Verbindungen im Stahlbau

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Steifigkeit der im Stahlhochbau häufig verwendeten typisierten Verbindungen nach DSTV/DASt-Katalog und deren Auswirkung auf die Tragwerksberechnung und Bemessungsergebnisse nach DIN EN 1993-1-1.

Die DIN EN 1993-1-8 [3] stellt ein Modell für die Berechnung sowie Klassifizierung der Anschlusssteifigkeit bereit und regelt die daraus resultierende Modellierung des nachgiebigen Anschlusses im Tragwerksmodell.

In der Praxis werden biegesteife Anschlüsse in der Schnittgrößenermittlung beziehungsweise im Tragwerksmodell üblicherweise als starr definiert. Es erfolgt somit keine Berücksichtigung der Momenten-Rotations-Charakteristik des Anschlusses in der Schnittgrößenberechnung. In den meisten Fällen muss diese jedoch, abhängig von der Systemsteifigkeit, gemäß den normativen Regelungen in der Tragwerksberechnung berücksichtigt werden.

Im Folgenden soll die Auswirkung der Anschlussnachgiebigkeit auf die Bemessungsergebnisse von Rahmenkonstruktionen an einem Beispiel dargestellt werden.

System

Es handelt sich um einen Zweigelenkrahmen mit einer Spannweite von 15,0 m und einer Höhe von 6,0 m zuzüglich 0,8 m Attika.

Für den ersten Bemessungsschritt mit starren Anschlüssen werden die Querschnitte wie in Bild 01 angesetzt. Es wird ein Baustahl S235 nach DIN EN 1993-1-1 [2] verwendet.

Belastung

Es wird mit folgenden vereinfachten Lastannahmen gerechnet:
  • Lasteinflussbreite (Abstand der Rahmen) = 5,00 m
  • Eigengewicht Dachaufbau g = 0,40 kN/m²
  • Schneelast s = 1,30 kN/m²
  • Windlast Wände w = 0,60 kN/m² (cp = 0,8 und -0,5)
  • Imperfektionen (in der Rahmenebene) nach DIN EN 1993-1-1

Bemessung GZT mit starrer Rahmenecke

Die Berechnung der Schnittgrößen in der Rahmenebene erfolgt nach Theorie II.Ordnung und mit Imperfektionen (Vorverdrehung und Vorkrümmung). Die Einhüllende der Schnittgröße My ist Bild 02 zu entnehmen.

Für den Nachweis des Trägers mit RF-/STAHL EC3 wird eine Gabellagerung an den Stabenden und eine seitliche Halterung des Obergurtes in den Drittelspunkten angesetzt.

Die Bemessung der Rahmenecke erfolgt mit RF-/JOINTS Stahl - DSTV. Es sollen der Typ IH 3.1 und M20 verwendet werden. Mit den vorhandenen Schnittgrößen ist kein Anschluss nach [1] nachweisbar.

Es muss demnach das Profil des Trägers auf ein IPE 500 erhöht und die Verbindungen wie in Bild 01 gewählt werden, um den Grenzzustand der Tragfähigkeit nachzuweisen.

Bemessung GZT mit nachgiebiger Rahmenecke

Die Erfordernis der Berücksichtigung der Momenten-Rotations-Charakteristik in der Tragwerksberechnung ergibt sich aus der Klassifizierung des Anschluss gemäß DIN EN 1993-1-8.

Für einen verschieblichen Rahmen gilt die Einordnung als "verformbar" wenn:

Für den aktuell bemessenen Anschluss IH 3.1 E 50 20 6xM20 10.9 (siehe Bild 01) ohne Steifen und der Stütze HE-B 240 ergibt sich:

Die Systemsteifigkeit berechnet sich nach EN 1993-1-8 Absatz 5.2.2.5 wie folgt:

Der Anschluss kann damit als verformbar eingestuft werden:
3.374 kNm/rad < Sini = 72.270 kNm/rad < 168.700 kNm/rad

Infolge der zu erwartenden Schnittgrößenumlagerung hin zum Feldmoment kann jetzt wieder eine Berechnung und Bemessung mit dem ursprünglichen IPE 450 versucht werden.

Die Berechnung der Schnittgrößen in der Rahmenebene erfolgt nun erneut nach Theorie II. Ordnung und mit Imperfektionen (Vorverdrehung und Vorkrümmung) sowie unter Berücksichtigung der Momenten-Rotations-Charakteristik des Anschlusses. Der Ansatz erfolgt nach DIN EN 1993-1-8 Abs. 5.1.2(4) vereinfacht mit einer linearen Drehfeder mit Sj,ini/2. Die Einhüllende der Schnittgröße My ist Bild 04 zu entnehmen.

Infolge der Berücksichtigung der Rotationssteifigkeit ergibt sich eine Reduktion des Eckmomentes von zirka 10 %. Die Bemessung der Verbindung mit RF-/JOINTS Stahl - DSTV bringt nun einen positiven Nachweis für den Typ IH 3.1 E 45 20 6xM20 8.8. Auch das ursprüngliche Profil IPE 450 kann als ausreichend tragfähig nachgewiesen werden (siehe Bild 05).

Bemessung GZG mit nachgiebiger Rahmenecke

Es soll hier nur der Nachweis der horizontalen Verformung des Rahmens geführt werden. Der Grenzwert wird mit wh,max = h / 150 = 680 / 150 = 4,53 cm bestimmt.

Aufgrund des geringeren Lastniveaus für den GZG kann davon ausgegangen werden, dass die Momente unter 2/3 Mj,Ed liegen und daher kann die elastische Anfangssteifigkeit der Verbindung für die Verformungsberechnung angesetzt werden. Dies lässt sich für die betreffenden Lastkombinationen in den Berechnungsparametern über die Modifikation der Steifigkeit vornehmen (siehe Bild 06).

Es ergeben sich unter Ansatz von Sj,ini Verformungen in X-Richtung von 4,73 cm (siehe Bild 07).

Der Nachweis ergibt sich damit wie folgt:
wvorh / Wh,max = 4,73 / 4,53 = 1,04

Schlussfolgerung

Es ergeben sich infolge der Berücksichtigung der Momenten-Rotations-Charakteristik des Anschlusses eine realistischere Abbildung des Tragwerks und eine wirtschaftlichere Bemessung mit einer Materialeinsparung von etwa 10 % im vorliegenden Beispiel.

Weiterhin ist es für den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit im Sinne einer wirtschaftlichen Bemessung erforderlich, für die betreffenden Lastkombinationen die elastische Anfangssteifigkeit für die Verformungsberechnung anzusetzen.


Links
Referenzen
  1. Weynand, K.; Oerder, R.: Typisierte Anschlüsse im Stahlhochbau nach DIN EN 1993-1-8. Düsseldorf: Stahlbau, 2013
  2. Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten − Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau. Beuth Verlag GmbH, Berlin, 2010
  3. EN 1993-1-8: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten – Teil 1-8: Bemessung von Anschlüssen. Beuth Verlag GmbH, Berlin, 2010
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